Am 13. November 2001 hat ein kleines Mädchen mein Leben so ziemlich auf den Kopf gestellt und aus mir einen besseren Menschen gemacht.
Wie alles begann … Ich hatte eine unbeschwerte Schwangerschaft, alles war in Ordnung. Drei Wochen vor dem Geburtstermin meiner Tochter Juliana waren ihre Herztöne auffällig in den Keller gerutscht, so dass ich sofort in den Kreißsaal geschickt wurde: Notkaiserschnitt. Einen Tag lang war alles in Ordnung. Wir waren die glücklichsten Menschen auf der ganzen Welt. Am nächsten Morgen überbrachte mir die Kinderärztin dann die Diagnose: „Ihre Tochter hat Morbus Down.“
Die darauffolgenden drei Tage haben wir ohne Unterbrechung geweint. Keiner hat uns zur Geburt unserer Tochter gratuliert. Stattdessen gab es Beileidsbekundungen und das Buch „Trostgedanken“. Das Telefon blieb still. Und ich fiel in eine Depression. Ich wollte meine Freunde nicht mehr sehen. Ich konnte keine Zeitschriften und Filme mehr anschauen. Ich konnte nicht mehr lachen, essen und schlafen. Ich konnte mir nur eine einzige Frage stellen: Was habe ich in meinem Leben Schlimmes getan, damit mich Gott so hart bestraft? Mit so einem Kind. Was denken jetzt meine Kollegen von mir? Was denken meine Kommilitonen? Was denken meine Freunde? Was denken die Supermarktangestellten? Was denken die Leute, die in meinen Kinderwagen reinstarren? Was denkt die Gesellschaft? Über diesen Makel? Über dieses „behinderte“ Kind?
Die ersten Monate nach Julianas Geburt verbrachte ich 24 Stunden am Tag mit Gedanken darüber, wie ich meine kleine Tochter verändern könnte, damit sie in unsere Gesellschaft passt. Eines Tages dämmerte es mir, dass Juliana PERFEKT ist, genau so, wie sie ist. Es gab absolut nichts, was ich an ihr hätte ändern oder – schlimmer noch – hätte reparieren wollen. Stattdessen, so wusste ich, würde ich in Zukunft eine Menge Liebe und Geduld gegenüber unserer Gesellschaft brauchen. Obwohl jeder einmalig und besonders sein will, möchte keiner wirklich aus der Menge hervor stehen. Alles ist ganz schön “mainstream” und alle sind beschäftigt, mit allen anderen Fischen zusammen zu schwimmen. Wenn ich jemanden zum ersten Mal treffe und der- oder diejenige zuvor noch keine Zufallsbekanntschaft mit dem “little extra” hatte, biete ich immer an, dass er oder sie mich einfach alles darüber fragen kann. Manchmal kommen dann die lustigsten und seltsamsten Fragen. Das ist vollkommen in Ordnung. In diesen Momenten erinnere ich mich selbst daran, was ich vor 15 Jahren wusste – und das war absolut nichts! Ich erinnere mich auch bei jeder Zufallsbekanntschaft daran, dass wir alle schnell damit sind, Unbekanntes zu beurteilen, zu fürchten oder sogar zu hassen. Ich verstehe es deshalb als meine Aufgabe, das zu ändern und die Leute in die Welt des “little extra” einzuführen.“